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„Bayern hatte zwar großartige Einzelspielerinnen, aber letzte Saison waren wir ein Team“
Sarah Zadrazil wechselte 2020 von Turbine Potsdam zum FC Bayern München. Die österreichische Nationalspielerin hat sich beim FCB gut eingelebt und auch schon den ersten Liga-Titel gewonnen.
Vor dem Beginn der Champions-League-Saison (Benfica Lissabon – Bayern heute 21 Uhr) blickt sie auf ihr erstes Jahr in München zurück und auf die Königsklassen-Spielzeit voraus. Außerdem spricht sie exklusiv bei SPOX und Goal über ihre Zeit in den USA und die Unterschiede zwischen ihrem Ex-Verein und ihrem aktuellen Klub.
Sarah Zadrazil über …
… die Entscheidung, nach dem Studium in den USA in die deutsche Bundesliga zu wechseln: Ich habe während der Semesterferien in der W-Liga, einer Sommerliga für College-Spielerinnen, für die Reserve von Washington Spirit gespielt. Ich habe dort die Vorbereitung mitgemacht, aber es war von Anfang an klar, dass sie mich nicht unter Vertrag nehmen würden. Später draftete mich Portland, wo ich ebenfalls die Vorbereitung absolvierte, dann kam aber das Angebot aus Potsdam. Insgesamt war Potsdam für meine Karriere und meine Entwicklung besser. Hier dauert die Saison über das gesamte Jahr, die Verträge laufen über einen längeren Zeitraum und man muss nicht so weit reisen, wenn man mit der Nationalmannschaft unterwegs ist. Außerdem war ich wieder näher bei meiner Familie.
… kleine Hilfspakete aus der Heimat in die USA: „Die kamen vor allem von meinem Bruder. Er hat dafür gesorgt, dass ich dort immer Red Bull hatte. Im College habe ich ständig Red Bull getrunken.“
… die Zeit bei Turbine Potsdam: Ich hatte viel Spaß. Wir waren immer oben mit dabei. Natürlich waren Wolfsburg und Bayern ganz vorne, das sind sie nach wie vor. Bei Bayern ist das Niveau einfach ein ganz anderes. Potsdam eignet sich dafür sehr gut zur Entwicklung von jungen Spielerinnen. Sie waren mal die beste Mannschaft Deutschlands. Die ganze Stadt steht hinter der Mannschaft. Als sich die Gelegenheit ergab, zu Bayern zu gehen, war es für mich der richtige Schritt.
… die Entscheidung für den FC Bayern: In Potsdam war ich Kapitän und in meiner Komfortzone. Ich habe mich dort prächtig entwickelt. Ich liebte meine Rolle und zählte zu den älteren Spielerinnen. Der Abschied fiel mir schwer, schließlich habe ich dort Freunde fürs Leben gefunden. Ich wusste nicht, ob ich bei Bayern spielen würde, denn der Kader dort ist stark besetzt. Man kann nicht zu Bayern gehen und erwarten, dass man jedes Spiel in der Startelf steht. Ich bin froh über meine Entscheidung. Der Wechsel hat mir enorm weitergeholfen und ich bin froh, hier zu sein.
… die Unterschiede zwischen Potsdam und dem FC Bayern: Das Niveau im Training ist sehr hoch, dadurch verbessert man sich selbst ständig weiter. Wir haben so viele gute Spielerinnen, dass man jeden Tag 100 Prozent geben muss. Das gefällt mir. Das Spieltempo ist zudem höher als in Potsdam. Hier hat man nicht die Zeit, drei- oder viermal den Ball zu berühren. Alles muss mit ein, zwei Kontakten passieren. Wir können mit den Besten mithalten. In der Vorbereitung haben wir gegen Lyon, PSG und US-amerikanische Teams gespielt. Das ist nochmal ein anderes Niveau. Das gefällt mir und es hilft dir, als Spielerin zu wachsen.
… die Rahmenbedingungen beim FC Bayern: Wir nutzen den Campus, auf dem auch die Nachwuchsmannschaften trainieren und spielen. Hier gibt es alles: einen perfekten Platz, ein Fitnessstudio, ein Schwimmbad, es gibt Essensmöglichkeiten. Der Verein hat einfach mehr Geld. Potsdam ist dagegen ein reiner Frauenverein. Sie können sich nicht auf die Männermannschaft verlassen. Ich bin einfach froh und dankbar dafür, dass ich das erleben darf. Nicht jedes Team kann auf solch eine Einrichtung zurückgreifen. Man muss es jeden Tag zu schätzen wissen.
… den Gewinn der Meisterschaft mit Bayern in ihrer ersten Saison: Wenn man für einen Verein wie Bayern spielt, ist es stets das Ziel, Titel zu gewinnen. Ich bin froh, dass es letzte Saison geklappt hat. Ich bin mit der Einstellung nach München gekommen, dass ich mein Bestes geben und mich individuell auf das nächste Level steigern will. Wir haben einen guten Zusammenhalt im Team, sowohl auf dem Platz als auch außerhalb des Feldes. Das hat uns am Ende geholfen. Zuvor hatte Bayern zwar großartige Einzelspielerinnen, aber letzte Saison waren wir ein Team. Das war der Unterschied.
… die Erinnerungen an den Titelgewinn: Es war unglaublich. Wir haben eine sehr gute Saison gespielt. Anfangs hatten wir ein bisschen Probleme mit Niederlagen gegen Chelsea, im Pokalhalbfinale gegen Wolfsburg und gegen Hoffenheim. Wir haben so hart gearbeitet und mussten dann auch die den finalen Schritt gehen. Es war eine pure Erleichterung und Freude, den Pokal am Ende in die Höhe zu stemmen. Es war mein erster offizieller Titel. Das hat Hunger auf mehr gemacht.
… das Titelrennen mit Wolfsburg in der aktuellen Saison: Wir haben unsere ersten vier Spiele gewonnen, Wolfsburg hat einmal Unentschieden gespielt. Wolfsburg hatte im Sommer einen kleinen Umbruch, sie haben einen neuen Trainer und viele neue Spielerinnen. Es wird interessant sein, wie sie sich im Saisonverlauf entwickeln. Ich habe ein paar Spiele gesehen, beispielsweise die Partie gegen Bordeaux in der Champions League. Es wird auf jeden Fall ein enges Rennen zwischen uns, aber auch Frankfurt könnte oben mitspielen.
… Trainer Jens Scheuer: Er ist taktisch wirklich gut. Er hat es geschafft, aus uns eine Einheit zu formen. Keine Spielerin wird jede Partie 90 Minuten auf dem Platz stehen, also ist es umso wichtiger, alle auf diesem Level zufriedenzustellen. Das hat uns letzte Saison ausgezeichnet. Als Trainer ist das eigentlich unmöglich, weil man stets schwierige Entscheidungen treffen muss.
… die ersten Champions-League-Spiele mit dem FC Bayern: Es war großartig und ich freue mich, dass es wieder losgeht. Die Champions League ist der größte Wettbewerb in Europa und macht den Frauenfußball insgesamt interessanter und spannender. Ich finde es toll, dass ich mit dabei bin. Mit der Einführung der Gruppenphase wird es noch interessanter. Letztes Jahr haben wir das Finale leider verpasst [Bayern scheiterte im Halbfinale an Chelsea, d. Red.]. Unser Ziel ist es definitiv, so weit wie möglich zu kommen. Am Ende entscheiden aber Kleinigkeiten. Unsere Mannschaft hat sich diese Saison verbessert. Wir haben einige hochkarätige Spielerinnen dazubekommen, dadurch sind wir in der Lage, mehr zu rotieren und jeder Spielerin mehr Spielzeit zu geben. Das ist vor allem mit Blick auf die Anzahl der Partien sehr hilfreich. Das Spiel gegen Lyon wird der erste große Test für uns. Dann können wir zeigen, wie gut wir sind. Ich bin bereit.
… die Lehren aus dem Halbfinaleinzug in der vergangenen Saison: Ich denke, wir können viel daraus lernen. Wir sind mit einem 2:1-Hinspielsieg [Rückspiel 1:4, d. Red.] nach London gefahren und haben einige Leichtsinnsfehler gemacht. Chelsea hat jede Chance ausgenutzt. Das müssen wir definitiv verbessern.
… das Erlebnis Champions League in ihrer Kindheit: Ich habe viel Fußball geschaut, weil mein Vater viele Spiele verfolgt hat. Das tue ich nach wie vor, egal, ob Männer oder Frauen. Ich liebe es, Spiele zu sehen und mir etwas abzuschauen.
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