DFB
Hrubesch-Mission erfüllt? Der zweite Teil unserer Analyse
FFussball hat für Euch die ersten beiden Länderspiele nach Steffi Jones’ Rauswurf unter Leitung von Interimscoach Horst Hrubesch unter die Lupe genommen – die Fortsetzung der Analyse.
Hrubeschs Spielidee
Hinterher sprachen viele Spielerinnen davon, „die Spielidee“ erkannt zu haben. Auch Torfrau Almuth Schult: „Es ist noch ausbaufähig. Natürlich war noch nicht alles 100-prozentig. Aber man konnte die Spielidee erkennen.“ Erkennbar war auf jeden Fall, dass der Spielaufbau über die Außenbahnen erfolgte. Die Idee war es, Flanken herein zu schlagen. „Einfach und schnell – und Spaß haben“ lautete die vorab verkündete Prämisse des Interimstrainers. Schon in den Trainingseinheiten zuvor forderte er von seinen Spielerinnen, schneller „einfach mal abzuziehen“. Eine Vorgabe, an die sich nicht alle Spielerinnen hielten, zu viele Schnörkel. Gegen Slowenien war zudem die Torausbeute zu gering.
Probleme
„Die Mannschaft ist erst bei 60 Prozent“, ließ Hrubesch die Medienvertreter wissen. Verbesserungspotenzial gab es zweifelsohne weiterhin auf allen Ebenen. Doch zumindest ein wenig Sicherheit ist in das Team zurückgekehrt. Fehlpässe, unpräzise Bälle in Richtung der Mitspielerinnen gab es trotzdem zu Hauf. Gerade Marozsán fand gegen Tschechien gar nicht ins Spiel, gegen Slowenien war eine leichte Tendenz nach oben zu sehen. Wenn sie nicht Kapitänin wäre, hätte Hrubesch sie gegen Tschechien wie Blässe und Goeßling (siehe oben) ebenfalls zur Pause vom Feld nehmen müssen. Tschechien bekam überdies von der deutschen Defensive noch viel zu viele Torchancen serviert. Auch Schult war ein Unsicherheitsfaktor. Ihr Spiel mit dem Ball birgt viel zu viele Risiken, immer wieder lässt sich die Wolfsburger Torfrau auf Dribblings ein, statt den Ball weg zu schlagen. Gegen Slowenien war Hrubesch mit der Chancenauswertung unzufrieden. Das DFB-Team strahlte auf dem Feld eine Schein-Dominanz aus: klar besser, ohne zu glänzen und präzise als Team viele Tore zu erzielen war das Ziel. Doch selten wurde in der Offensive so einfach gespielt, wie es sich Hrubesch, der Europameister von 1980, gewünscht hatte.
Hrubesch entfacht eine Grundsatzdiskussion
Man kann es auch pragmatisch und positiv betrachten: Alles, was Hrubesch anpackte, klappte. Ob als erfolgreicher Bundesligastürmer beim HSV oder in der Nationalmannschaft, als DFB-Trainer bei den Männern oder als Angler und passionierter Buchautor des Sachbuchs „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“: Erfolg hatte er eigentlich überall. Warum nicht auch als (Interims-)Bundestrainer der Frauen? Doch der Frauenfußball musste und muss noch immer lange dafür kämpfen, um eigenständig angesehen zu werden und nicht ständig mit Männerfußball verglichen zu werden. Hrubeschs Argumente „Fußball ist halt Fußball“ und er habe seit den Olympischen Spielen 2016 viele Frauenfußballspiele gesehen, entfachen eine Grundsatzdiskussion: Nehmen Hrubesch und der DFB seinen Frauenfußball ernst und als eigenständige Sparte wahr?
Alle sprachen offen darüber, dass es „mit den Namen“ der Spielerinnen anfangs noch nicht so klapp(t)e. Klar verlässt er sich auf Ulrike Ballweg, die langjährige Co-Trainerin von Silvia Neid. Sie ist sein Bindeglied zwischen der alten und der neuen Ära. „Es ist nichts anderes als bei den Männern. Der Platz ist genauso groß, es gibt Abseits und ein Schiedsrichter pfeift.“ Doch ist es wirklich so einfach? Für zwei Spiele, in denen es darum aufgeht, eine verunsicherte Mannschaft wieder aufzubauen, mag es so einfach gehen, schließlich betont Hrubesch, dass die Facetten gleich seien, man aber beides nicht vergleichen dürfe. Einerseits hat es positive Aspekte, dass die Frauen-Nationalmannschaft nicht im eigenen Saft schmoren, sondern mehr oder weniger fachfremde Entscheider in der DFB-Spitze entscheiden lassen. Doch außer Acht lassen sollte der DFB seine erfahrenen wie gut vernetzten Kenner und Kennerinnen des deutschen Frauenfußballs nicht. Warum beispielsweise ist Heike Ullrich, DFB-Direktorin Vereine, Verbände und Ligen, nicht in die Suche einer neuen Bundestrainerin eingebunden? Langfristig sollte der DFB Gedanken machen, wie sinnvoll und zu welchem Maße eine Verzahnung des Männer- und Frauenbereiches ist, und wo der Frauenbereich individuell angesehen werden muss.
Nachfolger(in) und der Zeitpunkt der Veröffentlichung
Nicht wenige Stimmen forderten, dass Hrubesch bis zum Ende der WM-Qualifikation im September weitermache, um kein neues Gesicht kurzfristig vor dem wichtigen Spiel gegen Island zu präsentieren. Das verneinte Hrubesch zu Beginn eigentlich konsequent, mittlerweile klingen die Statements („Ich schließe nichts aus“) weniger kategorisch ausschließend. „Es macht mir sehr viel Spaß“, erklärte er. Nur eines ist sicher: Bei der WM 2019 werde er auf keinen Fall zur Verfügung stehen: „Meine Frau lässt sich sonst scheiden.“ DFB-Präsident Reinhard Grindel widersprach dem indirekt, als er im ARD-Interview nicht ausschließen wollte, dass Hrubesch zu einem Trainerteam dazugehören könne. Bis Mitte Mai sollen die Gespräche mit Kandidaten und Kandidatinnen beendet sein. Nach übereinstimmenden Medienberichten war auch der scheidende DFB-Trainerausbilder Frank Wormuth ein heißer Kandidat. Doch dieser hatte bereits dem niederländischen Männerverein Heracles Almelo zugesagt. Top-Favoritin auf den Posten scheint die Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg zu sein. Sie will das nach wie vor nicht kommentieren und hat dem Vernehmen nach eine Ausstiegsklausel in ihrem Vertrag. Sollte sie vor Ende der WM-Qualifikation kommen, müsste der DFB mit dem Schweizer Verband, wo sie weiterhin einen Vertrag hat, verhandeln.
Einen Hinweis gab Grindel, der – bewusst oder unbewusst – von „Trainerin“ und „Nachfolgerin“ sprach. Bis zum Kanada-Spiel am 10. Juni soll ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden werden. Hrubesch gab im Interview mit dem ZDF nach der Slowenienpartie davon, „ein oder zwei Wochen abzuwarten. Es kann auch sein, dass man querdenkt und eine ganz andere, überraschende Lösung präsentiert.“ Die interessantesten Statements zur Zukunft gab Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter Nationalmannschaften dem ZDF in einem Interview am Flughafen: „Wir haben einige Gespräche geführt, auch mit jungen Trainern aus dem Männerbereich. Ob Hrubesch bis September bleibt, hängt von vielen Faktoren ab.“ Internationale Erfahrung solle er oder sie mitbringen, in die „DFB-Spielauffassung“ reinpassen, „aber auch eigene Ideen mitbringen.“ Eigenschaften, die auch Jones mitbrachte und ausprobierte. Doch der Deutsch-Grieche sieht im Athletik-Bereich „enormen Verbesserungsbedarf: Man hat beim SheBelieves Cup gesehen, dass England und USA da weiter sind.“ Der DFB wolle Fitnesstrainer in U-Bereichen installieren, einen besseren internen Austausch pflegen und gemeinsame Trainertagungen der Männer und Frauen einführen.
Fazit
Hrubesch hat in der kurzen Zeit gute Arbeit geleistet, mit seiner unvergleichbaren Art wieder eine Mannschaft geformt. Ein paar kleinere Veränderungen, viel Kommunikation und eine gute Mischung aus Spaß, Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Doch man weiß beim DFB: Bis zur Qualifikation und vollständigen Leistungsstärkung ist es noch ein weiter Weg. Die nächsten Schritte – mit Hrubesch bis zum Ende der Qualifikation oder der „langfristigen Lösung“ auf dem Trainer(innen)posten wollen nun wohl überlegt sein.
Paul Schönwetter
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